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Welchen Staat wollen wir?
Am Beginn von Hessens Weg aus der Schuldenfalle müsse die Frage “Welchen Staat wollen wir” stehen. “Wir brauchen eine gesellschaftliche Verständigung darüber, welche Leistungen der Staat für seine Bürgerinnen und Bürger erbringen soll und wie wir sie auch ohne Schulden finanzieren können. Eine Verkürzung der Debatte allein auf die Ausgabenseite greift zu kurz.” Vielmehr müsse es um einen Dreiklang aus der Definition der notwendigen staatlichen Leistungen, der effizienten Erbringung dieser Leistungen sowie der Sicherung der notwendigen Einnahmebasis des Staates zur Erbringung dieser Leistungen gehen. “Wer glaubt, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben allein mit dem Rotstift schließen zu können, wird Schiffbruch erleiden.” Selbst wenn Hessen – was niemand wolle – keinen einzigen Lehrer und keinen Polizisten mehr bezahlen würde, gäbe es im Haushaltjahr 2010 immer noch eine Nettoneuverschuldung.
“Die Schuldenbremse darf nicht zu einem handlungsunfähigen Staat führen. Wir erteilen dem von Teilen von CDU und der FDP gewollten schwachen Nachtwächterstaat ebenso eine Absage wie der von Teilen der SPD und der Linkspartei propagierten Fortsetzung des Verschuldungsstaats. Nachhaltig und generationengerecht ist eine Politik nur dann, wenn in wirtschaftlich normalen Zeiten die Nutzung aller notwendigen öffentlichen Güter aus den laufenden Einnahmen eines Jahres ohne neue Schulden finanziert werden kann. Für die Generationengerechtigkeit ist nichts gewonnen, wenn beispielsweise notwendige Investitionen in Bildung unterbleiben. Umgekehrt stimmt etwas nicht, wenn die heutigen Bildungsinvestitionen nur mit Schulden zu Lasten künftiger Generationen finanziert werden können.”
Expertenkommission, um gesellschaftlichen Konsens zu erreichen
Die Umsetzung der Schuldenbremse könne und dürfe nicht allein ein Projekt der jeweiligen Regierungsmehrheiten sein. “Zum einen können sich diese Mehrheiten bis 2020 noch mindestens zweimal bei Landtagswahlen ändern. Zum anderen berühren die Auswirkungen der Schuldenbremse die Vorstellung von der Organisation unseres Gemeinwesens so elementar, dass es einer breiten gesellschaftlichen Verständigung bedarf.” Dies gelte umso mehr angesichts der von CDU/FDP geplanten Änderung der Hessischen Verfassung und der damit verbundenen Volksabstimmung zu diesem Thema. “Daher schlagen wir die Einrichtung einer Expertenkommission ‘Hessen 2020 – Welchen Staat wollen wir?’ vor. In ihr sollen u.a. Vertreter von Gewerkschaften, Unternehmen, Wissenschaft, Kirchen, Verbänden und Vereinen ihre Vorschläge zur Umsetzung der Schuldenbremse einbringen können. Auf der Grundlage der mit Sicherheit sehr vielfältigen und kontroversen Vorschläge soll anschließend versucht werden, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu formulieren.”
Bund und Länder sind gemeinsam in der Pflicht
“Wir können und wollen in Hessen große Anstrengungen unternehmen, um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu verringern. Ohne geänderte bundesweite Rahmenbedingungen droht jedoch die Schuldenbremse für die Länder zu einem Hase-und-Igel-Spiel zu werden. Falsche finanzpolitische Rahmensetzungen auf Bundesebene lassen sich durch einen noch so klugen landespolitischen Konsolidierungskurs nicht ausgleichen”, erläutert der haushaltspolitische Sprecher, Frank Kaufmann.
Altschuldenfonds der Länder
Als konkrete bundesweite Maßnahme schlagen DIE GRÜNEN die Einrichtung eines Altschuldenfonds aller Bundesländer vor. “Sämtliche Schulden der Bundesländer werden in diesem Fonds gebündelt. Hierdurch lassen sich auch bessere Finanzierungskonditionen erreichen. Die Zinszahlungen für den Altschuldenfonds übernimmt der Bund. Die Tilgung ihrer jeweiligen Anteile bleibt Aufgabe der Länder, wobei die Tilgung auf einen Zeitraum von 50 Jahren gestreckt werden sollte. Durch die Herausnahme der Zinsbelastungen aus den Landeshaushalten kommt das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts überhaupt erst in die Nähe dessen, was in landespolitischer Kompetenz erreichbar ist.” Allein für Zinsen zahle Hessen derzeit jährlich ca. 1,5 Milliarden Euro.
Reform des Länderfinanzausgleichs
Der Altschuldenfonds werde die Finanzlage vieler Bundesländer erheblich zum Positiven verändern. Das schaffe auch die Spielräume, um in diesem Zusammenhang eine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs vorzunehmen. “Damit können bestehende Ungerechtigkeiten korrigiert und neue vermieden werden. Deshalb muss die dringend erforderliche Neuregelung des Länderfinanzausgleichs mit dem Altschuldenfonds in Beziehung gesetzt werden. Als Nettozahler würde Hessen hiervon besonders profitieren.”
Anpassung der steuerpolitischen Rahmenbedingungen an die gesellschaftlichen Anforderungen
Neben dem Altschuldenfonds und der Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern werde Hessen an einem dritten Punkt auf die Unterstützung des Bundes angewiesen sein. “Nur über die bundesstaatliche Gesetzgebung kann dafür Sorge getragen werden, dass die Länder und die Kommunen über genügend Steuereinnahmen verfügen, um die im Rahmen der Expertenkommission ‘Hessen 2020 – Welchen Staat wollen wir?’ erarbeiteten künftigen staatlichen Aufgaben auch finanzieren zu können. Wir sind überzeugt davon, dass der Staat zur Erfüllung der nötigen Aufgaben nicht weniger, sondern mehr Steuereinnahmen braucht.
Finanzierung öffentlicher Investitionen
Eine viel zu geringe Beachtung hat nach Auffassung der GRÜNEN bisher die Frage gefunden, wie unter der Schuldenbremse mit öffentlichen Investitionen umgegangen werden soll. “Da es unrealistisch ist, beispielsweise größere Bauwerke aus den laufenden Einnahmen eines Baujahrs zu finanzieren sehen wir in Bezug auf die Umsetzung öffentlicher Investitionsvorhaben Klärungsbedarf. Unser Konzept stellt die Entscheidungsalternativen detailliert dar und macht sie so einer breiten gesellschaftlichen Diskussion zugänglich.”
GRÜNE offen für Gespräche
“Wir sind offen für Gespräche über die konkrete Ausgestaltung unseres Vorschlags und freuen uns über Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Mit dieser Haltung werden wir die einzelnen Vorschläge auch mit den anderen Fraktionen diskutieren und in den Landtag einbringen”, so Al-Wazir abschließend.