Frühere Praxiserfahrungen der Lehramtstudierenden, eigene Fachbereiche für Lehrerbildung an den Universitäten und eine stärkere Ausrichtung der Lehrinhalte und -methoden auf die geänderte schulische Wirklichkeit stellt die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Mittelpunkt ihrer Vorschläge einer Reform der Lehrerbildung in Hessen.
Zentrales Element ist die Einführung eines verpflichtenden Praxissemester nach den ersten beiden Studiensemestern. “Angehende Lehrerinnen und Lehrer sollen früh Erfahrungen mit der schulischen Praxis machen. So können sie beurteilen, ob die vielfältigen und anspruchsvollen Herausforderungen des Lehrerberufs tatsächlich das Richtige für sie sind. Ohne ein bestandenes Praxissemester kann das Hauptstudium nicht aufgenommen werden”, erläutert der bildungspolitische Sprecher, Mathias Wagner. DIE GRÜNEN sehen jedoch auch vor, dass ein nicht bestandenes Praxissemester bis zum Ende des Grundstudiums einmal wiederholt werden kann.
Engere Verzahnung zwischen Universitäten und Praxis
Die enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis ist auch bei den weiteren Vorschlägen der GRÜNEN der Grundgedanke. “Wir schätzen die eher theoretisch-wissenschaftlichen Ausbildung an den Universitäten und die eher praxis- und berufsorientierten Ausbildung an den Studienseminaren und Schulen hoch. Wir wollen beide Teile erhalten und stärken. Allerdings sollten sie besser miteinander verzahnt werden. Daher schlagen wir nach dem Praxissemester im Grundstudium die Einführung eines weiteren Praxissemesters im Hauptstudium vor. Dafür könnte dann das Referendariat nach Abschluss des Studiums von 24 auf 12 Monate verkürzt werden.” Nach den Plänen der GRÜNEN soll die inhaltliche Ausgestaltung der Praxissemester in der Verantwortung der Studienseminare liegen. Zusätzlich sollen die Studienseminare ebenso die Universitäten bei der Ausgestaltung des Studiums beraten, wie die Universitäten die Studienseminare bei ihrer Arbeit. “Wir wollen den engen, dauerhaften und institutionalisierten Austausch zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und schulischer Praxis.”
Eigene Fachbereiche für Lehrerbildung an den Universitäten
Auch an den Universitäten soll die Lehrerausbildung verbessert werden. “Bisher gibt es keine eigenen Fachbereiche für Lehrerbildung. Das hat zur Folge, dass es oft keine spezifischen Angebote für Lehramtsstudierende gibt und sie in den anderen eigenständigen Fachbereichen oft ein wenig wie Stiefkinder behandelt werden. Dies wollen wir durch eine organisatorische Stärkung der Lehrerbildung an den Universitäten ändern. Den Bedürfnissen der Lehramtsstudierenden muss endlich Rechnung getragen werden”, regt Mathias Wagner an. Zudem soll das Amt für Lehrerbildung gestärkt werden und einen wissenschaftlichen Beirat erhalten, dem die Dekane der neu geschaffenen Fachbereiche an den Universitäten angehören. Großen Wert legen DIE GRÜNEN auch auf eine stärkere und verbesserte Kommunikation der einzelnen Akteure untereinander. Dies sei gerade auch mit den Schulen notwendig, um einen kontinuierlichen Austausch über die schulische Praxis und neueste Ergebnisse der Bildungsforschung sicherzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür sei der Kooperationsrat der Universität Kassel.
Stärkere Ausrichtung auf schulische Wirklichkeit
Die Studieninhalte müssten stärker auf die geänderte schulische Wirklichkeit ausgerichtet werden. Besonders der sich abzeichnende Wandel von der Halbtags- zur Ganztagsschule, die zunehmenden Anforderungen an die Schule im Bereich der Erziehung und der Vermittlung von Sozialkompetenzen an die Kinder und Jugendlichen machten Veränderungen notwendig. Dazu gehöre aber auch, dass Lehrerinnen und Lehrer an Stelle als Einzelkämpfer stärker in Teams zusammenarbeiten. Zudem sehen DIE GRÜNEN eine strukturierte und systematische Lehrerweiterbildung als dringend erforderlich an.
Bachelor/Master-Debatte überbewertet
Aus Sicht der GRÜNEN ist die Debatte über eine Umstellung des Lehramtsstudiums auf Bachelor- und Masterabschlüsse überbewertet. “Zum einen ist die Einführung von Bachelor und Master in anderen Studiengängen bislang alles andere als problemlos. Zum anderen seien die Studieninhalte weit wichtiger als die Studienstruktur.”
Schnelle Änderungen in zweiter Phase nötig
DIE GRÜNEN wollen über ihre umfassenden Reformvorschläge in Ruhe mit allen Beteiligten sprechen. Klar sei jedoch auch, dass die aktuellen erheblichen Probleme im Referendariat schnell angegangen werden müssten. “Wir möchten einen möglichst breiten Konsens über unsere Reformvorstellungen ereichen. Erste Gespräche deuten darauf hin, dass dies über die üblichen Grenzen zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen hinaus gelingen kann”, zeigt sich Mathias Wagner zuversichtlich.